Der Aufbau und die Funktionsweisen des menschlichen Gehirns sind für die Neurologie ein weites Feld
mit vielen unbeantworteten Fragen. Um die anatomischen Verbindungen
verschiedener Hirnregionen besser erkennen und damit auch verstehen zu können,
arbeiten Forscherinnen und Forscher mit bildgebenden Verfahren: von der
einfachen Mikroskopie bis hin zur Magnetresonanztomografie. Eine besondere
Technik bietet einen neuen Ansatz zur Kartierung des menschlichen Gehirns und
bringt dabei buchstäblich Licht ins Dunkel: Mit polarisiertem Licht,
dem 3D-Polarized Light Imaging (3D-PLI), werden histoloische Gehirnschnitte
durchleuchtet und somit der räumliche Verlauf der Verbindungen von
Nervenfasern bis in den Mikrometerbereich hinein erfasst.
"Für mich ist Forschen wie Puzzeln ohne Vorlage."
Julia, zunächst war die Fotografie dein Berufsziel. Warum hast du dich dann doch für die
Naturwissenschaften entschieden?
Das stimmt. In der Oberstufe wollte ich Fotografin werden und habe deshalb ein Praktikum bei
einem Fotografen gemacht. Da war schnell klar, dass es das nicht sein kann, und auf die rein
künstlerische Fotografie hatte ich keine Lust. Gleichzeitig interessierte
ich mich aber auch
schon immer für naturwissenschaftliche Themen und hätte
mir deshalb auch ein Physikstu-
dium vorstellen können. Letztendlich habe
ich mich für den Studiengang „Fotoingenieurwesen
und Medienechnik“ an der
Fachhochschule Köln entschieden, da sowohl künstlerische Elemen-
te wie Fotografie oder Bildgestaltung als auch
technisch-naturwissenschaftliche Themen berücksichtigt wurden.
Im Studium selbst habe ich dann festgestellt, dass mir das Anwenden nicht reicht.
Ich wollte wissen, wie die Sachen funktionieren und wie die Zusammenhänge sind.
Darum habe ich hauptsächlich ingenieur- und naturwissenschaftliche
Fächer wie Lasertechnik, Quantenmechanik und Medizinische Bildgebung
belegt und habe mich dann entschieden, über die Promotion doch
noch in die Physik zu kommen.
Praktische Erfahrungen haben dich also in deiner Berufswahl unterstützt?
Ja, unbedingt – und gleich mehrfach! Im Grunde habe ich zwei wichtige Praktika gemacht, die für
mich wegweisend waren. Das Schulpraktikum beim Fotografen hat mir
gezeigt, das Fotografin kein Beruf für mich ist. Und nach einem sechswöchigen
Praktikum beim Fraunhofer-Institut für Mikroelektronische
Schaltungen und Systeme in Duisburg war mir total klar, dass ich in die Forschung
wollte.
Darüber hinaus hast du vom Deutschen Akademischen Austauschdienst DAAD ein
Jahresstipendium erhalten und damit ein Auslandsstudium
absolviert. Welche Erfahrungen hast du dabei sammeln können?
Ich habe über das Stipendium für zwei Semester am Royal Melbourne Institute of Technology
(RMIT) in Australien studiert und meinen Aufenthalt hauptsächlich dafür
genutzt, Kurse zu belegen, die in Deutschland nicht angeboten wurden,
aber für meine Bewerbung auf eine Promotion sehr wichtig waren. Insgesamt
war das Studium am RMIT deutlich verschulter als bei uns. Ich bin
aber sehr froh, dass ich insgesamt zwei Semester im Ausland war, da ich das
tatsächliche Studieren und Leben in Australien erst im zweiten
Semester kennengelernt habe.
Du bist jetzt am Forschungszentrum Jülich — Institut für Neurowissenschafen und
Medizin. Was genau machst du dort und wie bist du auf dieses Fachgebiet gekommen?
Bereits meine Diplomarbeit habe ich über die Detektion, also den Nachweis von Hautkrebs mithilfe
von Multiphotonen-Tomografie, Konfokaler Mikroskopie und
Auflichtfotografie geschrieben. Für mich war klar, dass ich mein Wissen
über die Bildgebung weiterhin nutzen möchte, und ich bin dann am
Forschungszentrum Jülich auf das interessante Arbeitsgebiet
„Polarized Light Imaging” gestoßen. Hier arbeite ich jetzt an meiner
Promotion. Um das menschliche Gehirn besser zu verstehen, untersuchen
wir mithilfe der Bildgebung mit polarisiertem Licht Faserbahnen im
menschlichen Gehirn in ihrem räumlichen Verlauf. Es handelt sich dabei um einen
ganz neuen Ansatz in den Neurowissenschaften und wir erhoffen uns,
dadurch insbesondere Erkenntnisse bezüglich der
anatomischen Verbindungen verschiedener Hirnregionen zu gewinnen.
Was fasziniert dich an deiner Tätigkeit am meisten?
Für mich ist Forschen wie Puzzeln ohne Vorlage. Es gibt viele kleine einzelne Puzzleteile, im Laufe
der Zeit kommen neue dazu. Ich versuche, alles so zusammenzufügen, dass sich
ein stimmiges Gesamtbild ergibt. Viele dieser Puzzleteile stellen
angeeignetes Wissen aus dem Studium dar, andere Teile sind Erfahrung,
Intuition oder neue (Mess-)Ergebnisse. Immer mal wieder verwerfe ich
dann lieb gewonnene Theorien, um mich der Lösung von Problemen zu nähern.